Geschichtlicher Hintergrund

Die öffentlichen Räume sind Schauplätze, die sich im Kontext gesellschaftlichen und politischen Wandels über Jahrhunderte entwickelt haben. Was den Großteil Europas angeht, war die Entwicklung der Bürgerrechte und einer bürgerlichen Klasse in den mittelalterlichen Städten eine Vorbedingung für die Entstehung der modernen öffentlichen Sphäre.

Der Öffentliche Raum ab dem Späten 18. Jahrhundert

Menschen nutzten und nützen den öffentlichen Raum für verschiedene Zwecke. Ein wesentlicher Zweck war und ist, sich gemäß seiner Rolle in der Gesellschaft darzustellen. Die Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1814/15 und der Revolution von 1848 kennen viele unter der Bezeichnung "Biedermeier". Diese hatte erhebliche Schattenseiten wie Überwachung und Zensur unter Fürst Metternich.

Der öffentliche Raum wurde überwacht und deshalb z. B. die Ballhauskultur gefördert, da man in den Ballsälen die Massen besser kontrollieren zu können glaubte.

Dann unter dem Wiener Bürgermeister Lueger zeichnete sich ein Erstarken des Kleinbürgertums ab, was sich auch im Erscheinungsbild der Plätze und damit des öffentlichen Raums widerspiegelte.

Später, nach dem ersten Weltkrieg, verlor Wien die Bedeutung als Hauptstadt eines Vielvölkerstaates. Man musste sich in der Folge politisch neu orientieren. Eine tiefe Krise des kollektiven Selbstwertgefühls entsteht.In der Zwischenkriegszeit entstand mit der 1. Republik das "Rote Wien". Die Stadt wurde zu einem weltweiten Vorzeigemodell für kommunale Politik. Eine neue sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftsformen wurde umgesetzt. Die sozialen, politischen und baulichen Errungenschaften dieser Zeit wirken bis heute.

Vor allem die innovative Struktur und Architektur schafft Beachtung. Stadtbildprägende Ensembles entstehen mit halböffentlichen Foren und Wohnhöfen. Der öffentliche Raum schafft Bewegungsraum in hoher Baudichte, soziale Aktionsfläche vor allem für Kinder und schließlich eine integriative Freifläche für die ganze Bewohnerschaft.

Während der austro-faschistischen Phase und im Nationalsozialismus wurde der öffentliche Raum Wiens wieder zur offiziellen Bühne der Selbstdarstellung des Regimes.

Die Nationalsozialistische Politik machte die öffentlichen Räume Wiens "frei" von sogenannten Nichtariern und Regimegegnern. Nicht nur im öffentlichen Raum wurde Wien "gesäubert".

Später wurde der öffentliche Raum zum Kriegsschauplatz.

Einen gesellschaftlichen und stadträumlichen Neubeginn erlebt der öffentlichen Raum in der Nachkriegszeit.

Der Bevölkerungsverlust und die Kriegsschäden des Zweiten Weltkriegs führten zu einer Reduktion des öffentlichen Lebens. Der Wiederaufbau von zerstörten Strassen, Gebäuden und Verkehrsbauwerken erfolgte nach modernen Leitbildern des Städtebaus. Dieser Aufschwung brachte einen gewissen Wohlstand, der die Funktionstrennung im Stadtraum weiter vorantrieb.

Die Vision einer "autogerechten Stadt" verändert vor allem in den 70er Jahren das Leitbild in der Stadtplanung. Obwohl der öffentliche Raum von Beginn an auch Verkehrsraum war, sollte nun mit stärkerer Technisierung, gestiegenem Wohlstand und einer einhergehenden Steigerung der Mobilität der verkehrsgerechte öffentliche Raum entstehen. Er verlor durch die Adaption für das Auto an Lebensqualität für die BewohnerInnnen und verdrängte die nichtmotorisierten Nutzer an den Rand. Die Bühne wurde kleiner und die Menschen verloren den Bezug zu ihrer Alltagsbühne vor der Haustüre. Während die Straße für die Auto(mobilen) Nutzer als Schauplatz der "zufriedenen Bürger mit Statussymbol" diente, wurden viele Freiräume und Plätze durch die Autoabstellfunktion den anderen als Plattform entzogen. Der ursprünglich nicht für das Auto konzipierte Innenstadtbereich wurde zunehmend überlastet.

Gerade dies sollte sich in der nachfolgenden, sog. Freizeit- und Konsumgesellschaft und einer damit verbunden Industrie später als Verlust niederschlagen.

Um die Jahrtausendwende wird der Stadtraum für die gesellschaftliche Entwicklung als Identifikationspunkt zunehmend wichtig. Familiensysteme, Arbeitsbetriebe, Nachbarschaften und ähnliche Konstanten lösen sich auf und neue dynamische Formen sind im Entstehen. Durch die wirtschaftliche und soziale Polarisierung kommt auch dem öffentlichen Raum in den Städten verstärkt eine neue Bedeutung zu. Aufgrund gesteigerter Mobilität und neuer Kommunikation zeigt er sich zunehmend als Ort der Begegnung, der Lokalisierung, des Selbstwertgefühls sowie der Zivilcourage der BewohnerInnen.

 

 
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„Der Öffentliche Raum als Bühne - Plädoyer für eine Plattform der aktiven Zivilgesellschaft“